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Juratour

Tischerücken im Jura

 Im 6er-Tross brausten wir „Ostschweizerinnen“ eines schönen Herbstmorgens den Passwang hoch zum Restaurant Alpenblick, Brigitte bei Silke auf dem Soziasitz. Die Innerschweizerinnen waren schon da. Und kurz danach kam auch unser Guide des Weekends an, Thomas, den wir bei unserer ch2021via-Tour zum Frauenstimmrecht kennengelernt hatten, mit seinem „Boot“: einer Triumph-Rocket III mit ARMEC-Seitenwagen. In Töffjahren gilt sie mit Jahrgang 2009 bereits als stolzer Oldtimer. In fröhlicher Kaffeerunde wärmten wir uns auf. Claudia verteilte Schoko-Schwein für eine gute Fahrt und wir starteten ins Wochenende.  

Erst den kleinen Scheltenpass in schönsten Herbstfarben, danach den herrlichen Sinkflug über die Montgremay-Strasse nach Saint-Ursanne. Nach ein paar kurvenreichen Kilometer dem Doubs entlang querten wir Saint-Hippolyte. So langsam meldete sich der Hunger, doch verschiedene Beizen, die auf unseren Navis noch eingezeichnet waren, hatten in den zwei Corona-Jahren wohl dichtgemacht. Thomas liess uns in Cour-Saint-Maurice kurz stehen, um sich auf Futtersuche zu machen. Wir fürchteten schon, er hätte uns in diesem menschenleeren Dorf vergessen, doch dann ertönte in der Ferne das vertraute Motorengeräusch. Leider schlechte Nachrichten: keine offene Beiz. Mein Navi zeigte in Belleherbe noch etwas an: letzte Chance, bevor wir uns über unsere diversen Stängeli, Wasserflaschen und übriggebliebenen Zmorgencroissants hermachen. Und siehe da: das Restaurant Clé des Champs in Belleherbe war nicht nur offen, die Wirtin war herrlich unkompliziert. Ein echter Glücksfall. Auf die Frage „Gibt es noch was zu essen“ entgegnete sie: „Que du bon!“ also „Nur Gutes!". Na dann! Wir rückten die Tische für unsere Zehnergruppe zusammen (das Tischerücken sollte dieses Wochenende unser Markenzeichen werden) und machten es uns an diesem herrlichen Oktobertag auf der Terrasse gemütlich.  

In der Herbstsonne liessen wir uns am Nachmittag weiter von Thomas durch den französischen Jura leiten. Nach einer verkehrsreichen Stadt (Porrentruy) plötzlich ein riesiges Schloss auf einem Hügel: das Château du Joux. Na, das wäre doch mal ein Kulturprogramm für einen nächsten Ausflug. Dieses Mal signalisiert die Burg jedoch, dass wir langsam am Ziel ankommen. Die letzten Kurven des Tages führen über den Col du Mont d'Orzeires hinunter zum Lac du Joux ins Hôtel de la Truite. Als ich nach einer kurzen Siesta runterkam, sass unsere Runde gemütlich draussen und süffelte - unter vielem anderen - eine Art Enzian-Liqueur. Leeeeecker - kannte ich noch nicht.  

Am nächsten Tag - einem wolkenverhangenen Regentag - splittete sich die Gruppe: die einen blieben im Hotel und entdeckten den Spielekeller. Gemäss Jennys Erzählung am Abend: durchaus familientauglich. Die anderen schwangen sich wieder auf die Räder und fuhren bis in die Umgebung von Nyon. Der Col de Saint-Cergue: ein seltener Genuss für eine Zürcherin. Zwischendurch den Genfersee im Blick! Babara hielt uns in der ersten Tageshälfte wacker den Rücken frei. Ich sah sie im Spiegel als letzten Töff und hinter ihr ein rückspiegelfüllender Lastwagen. Klar waren wir auf den nassen laubbedeckten Strassen nicht die Schnellsten. Und Thomas sorgte dafür, dass wir nicht zu übermütig wurden. Nach einem kurzen Kaffeehalt ging es weiter durch die sanften waadtländer Hügel Richtung Bière („landschaftlich wunderschön, aber von was leben die Leute hier, jetzt, wo die ganzen Armee-Anlagen leer stehen“, frage ich mich). Nach Montricher erhaschen wir einen Blick auf irgendeine seltsame Betonnetz-Struktur auf Stelzen weit in der Wiese draussen. Was zum Teufel ist das? Ein ETH-Lausanne-Ableger?? Ein gelandetes Ufo??? Lilo tippt auf „Neue Wohnformen“.  Ein kurzes googeln in der Mittagspause löst das Rätsel: es ist die "Fondation Jan Michalski pour l’écriture et la littérature“. Das wäre dann glatt das nächste Kulturhighlight, wenn wir mit kuk wieder mal im Jurabogen unterwegs sind. Das Ding sieht völlig verrückt aus.  

Von Montricher aus ist es - kurzer Unterbruch durch einen Alpabzug mit geschmückten Kühen und gsunntigete Menschen - nicht mehr weit bis nach Romainmôtier mit seiner grossartigen Abtei. Das ganze mittelalterliche Städtlein leuchtet im warmen Gelbton des lokalen Kalksteins. Hier hat Thomas die Mittagspause vorgesehen und im Salon de Thé gibt es hervorragenden, wirklich hervorragenden Apfelkuchen! Gesättigt nehmen wir die letzten Kurven unter die Räder zurück ins Truite zu unseren Gspändli.  

Am Sonntag verabschieden sich Annett und Jenny bereits am Morgen und Brigitte nimmt im Triumph-Gespann Platz. Wir folgen erst der fahrerisch unspektakulären, aber schönen Jurahochebene. Ich freue mich über jede unterhaltene Kalksteinmauer zwischen den Weiden. Diese Mauern gehören einfach zum Jura. Die Spitzkehrensteigung von Vuiteboeuf nach Sainte-Croix nehmen wir auch mit - cool! Auf dem kleinen Col des Etroits geht es rechts ab in die kühle Noiraigue-Schlucht bis nach Buttes, wo wir im Lion d’Or auf der Terrasse bei schönstem Sonnenschein - was wohl? - Tische rücken. Nach dem Kaffee-Halt gehts bei Val-de-Travers die langgezogene Plan-Essert nach La Brévine hoch. Die Bahnschranke ist zu - ewig lang. Der erste Neuenburger Wagen wendet… o-oh, wenn schon die Welschen ungeduldig werden… Aber wir werden für’s Warten entschädigt mit einer schnaubenden, tutenden Dampflok, die eine alte Bahnwagenformation den Berg hochzieht. Wir winken den Kindern fröhlich zurück. Bei der nächsten roten Ampel witzelten wir: „Thomas, was hast du diesmal für eine Überraschung vorbereitet?“  

Bei Le Locle kommt eine unerwartete Wendung, wortwörtlich. Wir fuhren links von der Hauptstrasse ab. Aha, eine Einbahn-Umfahrung des Zentrums, dachte ich. Nochmal links. Hm, jetzt scheint unser Guide falsch abgebogen zu sein, das führt ja mitten ins Wohnquartier. Ah, da rechts kommen wir zurück zur Hauptstrasse. Nicht? Weiter auf dieser Strasse? Wirklich? Die Strasse wurde schmal und schmaler, mittlerweile eine richtige Hohlgasse und seltsamerweise immer noch in Wohngebiet, steil und steiler, holpriger und holpriger. Meine Tiger bebte vor Freude, ich prognostizierte eine kleine Wenden-am-Berg-Übung wegen Sackgasse. Und plötzlich verschwand alles und wir befanden uns mitten in einer kleinen menschenleeren Jura-Hochebene direkt oberhalb der Stadt. Klar - so herum von Le Locle nach La Chaux-de-Fonds ist ein klein wenig attraktiver als auf der vielbefahrenen Hauptverkehrsachse. Ein paar Kilometer ging es bei schönstem Herbstwetter wieder dem Doubs entlang. Bei der Steigung von La Vanne oberhalb des Zollpunkts Côte-du-Doubs gab es einen kurzen Triumph-Fotostopp. Eine der ersten kuk-Fahrten, bei der die Triumph-Töff klar in der Überzahl waren… ;-) Als wir weiterfahren wollten, bescherte uns das Boot als echte Oldtimer-Diva ein paar Schreck-Momente. Sie liess sich dann doch bitten und der Gang sprang ein. Von da aus war es ein Katzensprung bis zur Beiz La Légende in Le Boéchet - kurzes Tischerücken - wo es als Spezialität unter anderem frittierte Karpfen gab.  

Den Rest des Tages liess ich mich treiben - vor mir Ueli mit ihrer Bonny, zuhinterst Silke auf ihrer BMW. Über die klitzekleine Binzstrasse zwischen Grenchenberg und Oberdörferberg erreichten wir Gänsbrunnen und das Ende unseres gemeinsamen Wochenendes. Danke an Thomas und Ueli, die zum zweiten Mal das Jura-Wochenende organisiert haben. Und ein Hoch auf das Boot!  

Myriam

 

Hier noch einige Links zur Tour:

https://www.alpenblick-passwang.ch

https://chateaudejoux.com

https://www.hoteltruite.com/fr/

https://fondation-janmichalski.com/fr/fondation

https://romainmotier.ch/loisirs-tourisme/galerie-dimages/

https://www.la-traction.ch    (= Adresse vom Dampflok-Verein)

https://lalegende.ch