Kulturtag in St. Gallen
Das Loch im Boden - Kultur in St. Gallen Ungläubig schaute ich das rund 3-4 m tiefe Loch im Boden hinunter. „Und da soll ich nun runter?“ Meine glorreichen Tage als Klassenbeste an der Kletterstange lagen rund 40 Jahre zurück. Die Armmuskeln hatten sich seither was weiss ich wohin verabschiedet. Ein letzter Blick zurück ins Kabuff, in dem ich stand. Kein anderer Ausweg. Die Tür war - wie vom Künstler beabsichtig - hinter mir ins Schloss gefallen. Mit pochendem Herzen griff ich zur Stange und liess mich mehr oder weniger kontrolliert heruntergleiten. Das Adrenalin rauschte kurz durch meinen Körper. Geschafft!
Wie ich in diese Situation gekommen bin? Nun, es fing alles mit Michaelas Tourenausschreibung „Von Dampflokomotiven und Kunst“ an. Wir fuhren eines sonnigen Sonntag Morgens aus den verschiedenen Ecken der Deutschschweiz zum Treff bei der Hulftegg. 12 kukis angemeldet, 11 erschienen vor Ort - Töfffahrerinnen, die ich teils Jahre nicht gesehen habe. So schön! Wir teilten uns nach Michaelas Instruktion in zwei Gruppen auf. Unter Giselas und Silkes sicherer Tourenleitung fuhren wir die Strecke über das Kloster Magdenau, Degersheim und das malerische Schwellbrunn. Wenig Verkehr. Gisela hatte angekündigt, dass sie sich im kurvenreichen Tal entlang der Murg nicht würde zurückhalten können und die Tour kurz ins Dunkelrote kippen würde. Und sie hielt zum Glück Wort… 😏
Bald kamen wir nach St. Gallen zur Lokremise. Michaela kannte den Ort und seine Geschichte als ehemalige Mitarbeiterin aus dem Effeff. Zusammen schauten wir die Werke der Künstlerin Camille Henrot an. Wobei ich mich bald verabschiedete, weil ich den Schlüssel zum Wasserturm erhielt, der auch ein Teil ist vom St. Galler Kunstmuseum. Mehr als das oben geschilderte werde ich nicht erzählen über meinen Parcours durch Christoph Büchels Installation. Absolut verrückt, was er alles in den Wasserturm geschleppt hat. Ich habe im Kunstbereich gearbeitet, aber nie - NIE! - ist mir eine solche Installation begegnet. Unbedingt an einem Sonntag mit mehr Zeit nochmal hingehen! Ausser, du bist klaustrophobisch. Oder du hast einen Hygienefimmel. Aber sonst - Wasserturm der Lokremise: unbedingt hingehen!! …
Hast du gehört? Unbedingt hingehen!!!
Nach der Aufregung gab es ein wohlverdientes Zmittag im Schatten der Kastanienbäume der Militärkantine. Die herzige nonbinäre Bedienung bildete einen spannenden Kontrast - oder eine schöne Weiterentwicklung - zur Geschichte des Ortes.
Danach fuhren wir ein kurzes Stück zum Flusstobel hinunter zum Sitterwerk. Das nächste absolute Kulturhighlight. Wieder könnte ich Stunden schreiben. Nur drei kurze Eindrücke: völlig geflasht von der assoziativen Bibliothek. Fasziniert von den Werken verschiedenster Künstler:innen, die in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung überall in der Werkstadt stehen, liegen, lehnen. Beeindruckt vom herzlichen Empfang durch Katalin Deér und Felix Lehner, den wir sicher auch Michaelas Vermittlung verdanken.
Viel zu schnell rückte der Zeiger an diesem magischen Ort vor. Zeit, aufzubrechen. Über Zürchersmühle („Zürchersmühle? Was wohl für eine Geschichte hinter diesem ostschweizer Namen steckt?“, denke ich im vorbeirauschen) und Urnäsch schwingen wir uns zur Schwägalp hoch. Ein währschaftes Zvieri. Und die Ersten verabschieden sich.
Herzlichen Dank an Michaela, dass sie diese aussergewöhnlichen Orte mit uns geteilt hat. Und Dank auch an die beiden Tourleiterinnen. Es ist immer wieder schön, hinter jemandem herrauschen zu können, ohne sich über die Strecke Gedanken zu machen.
M.S.